Hörtraining (Sound Therapy) nach Dr. phil. Kjeld Johansen

 

 

Für Menschen mit Hörproblemen, zentralen Hörverarbeitungsproblemen, Sprachstörungen sowie für Kinder mit speziellen Lernschwierigkeiten und Legasthenie.

Hintergrund

Das Gehör ist die Grundlage für die Sprachentwicklung und wichtig für das Erlernen von Lesen und Schreiben!

»Kannst du denn nicht hören?« – diese Frage, diesen Ausruf hört man oft in der Schule oder in Familien, und häufig klingt eine Irritation, wenn nicht gar ein Vorwurf mit, als ob das so angesprochene Kind aus Trotz nicht richtig hört. Nimmt man jedoch die Frage wörtlich, kommt ein anderer Akzent ins Spiel, nämlich die Überlegung, dass das Kind aufgrund einer wie auch immer gearteten Fehlfunktion die an es gerichtete Aufforderung tatsächlich nicht gehört hat.

Es kommt nicht nur darauf an, ob ein Kind hören kann, sondern vielmehr darauf, was es tatsächlich hört, wie es Laute wahrnimmt, auf welche Weise seine Wahrnehmung beeinträchtigt ist und damit, welche Auswirkungen dies auf seine Lebensweise, seine psychische Gesundheit, seine Reifung und seine Lernfähigkeiten hat.

Die drei Sinne

Hören, Fühlen und Sehen sind spezialisierte Bereiche des Nervensystems, die ungestört zusammenarbeiten müssen, um Informationen zu empfangen und zu entschlüsseln. Bislang wurde allgemein die Auffassung vertreten, dass minimale Hörschäden während der Kindheit nur zu geringfügigen bzw. keinen schulischen oder kommunikativen Folgeproblemen führen.

 

Bess & Tharpe (1986), Oyler et al. (1987) und Hartvig Jensen et al. (1987) haben jedoch gezeigt, dass eine einseitige Verminderung des Hörvermögens durchaus negative Auswirkungen auf den Schulerfolg eines Kindes haben kann.

 

Mittels einer Fragebogenuntersuchung fanden Oyler et al. heraus, dass die Anzahl der Kinder mit schulischen Lernproblemen und einem eingeschränkten Hörvermögen auf dem rechten Ohr etwa fünf Mal größer war als die Anzahl der Kinder mit verminderter Hörfähigkeit auf dem linken Ohr.

 

Hartvig Jensen et al. testeten 30 Kinder im Alter von zehn bis sechszehn Jahren, die alle einseitige Hörverluste hatten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bekräftigten, dass Kinder mit einseitigen Hörbeeinträchtigungen im rechten Ohr deutlich schlechtere Schulleistungen zeigen als Gleichaltrige, die Hörprobleme im linken Ohr haben.

Warum?

Das sprachlich normal begabte Kind zeigt in der Regel bereits im vierten Lebensjahr eine Bevorzugung für die Aufnahme von Sprachlauten über das rechte Ohr. Das hängt damit zusammen, dass die Entschlüsselung des Gehörten in der linken Gehirnhälfte geschieht. Das rechte Ohr ist das leistungsfähigere, wenn es um das Empfangen und Übermitteln von Sprachlauten geht. Geräusche, die mit dem rechten Ohr gehört werden, wandern direkt in das Hauptsprachzentrum in der linken Gehirnhälfte. Geräusche, die mit dem linken Ohr gehört werden, wandern zuerst in das untergeordnete Sprachzentrum in der rechten Gehirnhälfte und müssen dann über den sogenannten Balken, der zwischen beiden Gehirnhälften liegt, zum Entschlüsseln in die linke Gehirnhälfte gelangen. Ein Kind, das primär mit dem linken Ohr hört, kann demzufolge Schwierigkeiten haben, eine Reihe von mündlichen Anweisungen zu befolgen, da es noch mit dem Entschlüsseln der ersten beiden Anweisungen beschäftigt ist, während die dritte schon gegeben ist.

 

Eine Beeinträchtigung des Hörvermögens auf dem rechten Ohr ist demnach von entscheidender Tragweite für die Entwicklung der sprachverarbeitenden Strukturen der linken Gehirnhälfte. Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass ein vermindertes Hörvermögen vor dem dritten Lebensjahr eine messbare Auswirkung auf die sprachliche Entwicklung nach dem siebten Lebensjahr hat (Finitso et al., 1990).

 

Lang andauernde oder sich häufig wiederholende rechtsseitige Hörbeeinträchtigungen in einer Entwicklungsphase, die insbesondere für die sprachliche Entfaltung (6. bis 36. Lebensmonat) bedeutsam ist, können dafür verantwortlich sein, dass das linke Ohr vollkommen oder teilweise bevorzugt zum Hören benutzt wird, was dann Analyse- und Syntheseprobleme verursacht.

Ursachen und Auswirkungen

Als Hauptursache für Hörbeeinträchtigungen kommen in erster Linie Mittelohrentzündungen in der frühen Kindheit in Frage. Weiter: Erkältungen und Katarrhe, Allergien, ungenügende Vitamin- und Mineralienzufuhr, vergrößerte oder entzündete Mandeln oder Missbildungen des Ohres.

 

All dies kann jeweils eine Schallleitungsschwerhörigkeit verursachen und dazu führen, dass das Gehör von Kindern in Qualität und Lautstärke beeinträchtigt ist. Spätere Rechtschreibprobleme können die Folge sein, da das Kind besonders im Bereich der hohen Frequenzen viele Laute nicht deutlich genug wahrnimmt oder verwechselt.

 

Die Sprach- und Sprechentwicklung eines kleinen Kindes kann gravierend verzögert werden, und ein älteres Kind (eine Schallleitungsschwerhörigkeit kann in allen Altersstufen vorkommen) kann wichtige Informationen verpassen, besonders in den Lernbereichen, die mit Rechtschreibung, der Entwicklung von Lesefertigkeit und neuem Vokabular zu tun haben.

Symptome, die Eltern und Lehrer bei Hörstörungen oft bemerken

Kurze Aufmerksamkeitsspanne, Ablenkbarkeit, Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Missdeutung von Fragen, Verwechslung ähnlich klingender Worte, Worte müssen häufig wiederholt werden, stockende Sprache, geringer Wortschatz, mangelnde Satzstrukturen, Unfähigkeit, beim Singen die Melodie zu halten, Verwechseln und Verdrehen von Buchstaben, schlechtes Leseverständnis, schlechtes Vorlesen, schlechte Rechtschreibung.

Erläuterungen zur Durchführung des Hörtestes und des Hörtrainings

Kjeld Johansen entwickelte am Dyslexia Research Laboratory (Forschungszentrum für Legasthenie) im dänischen Gudhjem ein System, mit dessen Hilfe Probleme bei der Hörverarbeitung gemessen und behandelt werden können. In über 20 Jahren der Forschung (auf der Grundlage der Erkenntnisse von Christian Volf) wurde ein therapeutischer Ansatz entwickelt, der sich statistisch als wirkungsvoll erwiesen hat. Es werden audiometrische Tests durchgeführt, um die monaurale Hörschwelle zu messen und festzustellen, innerhalb welcher Frequenzbereiche scharf gehört wird.

 

Ein zusätzlicher dichotischer Hörtest gibt Aufschluss darüber, welches Ohr das primäre, also das beim Hörvorgang dominante ist.

 

Diese Testergebnisse sind Grundlage für eine Kassette / CD mit einem speziell auf das Kind oder den Erwachsenen abgestimmten Hörprogramm, das dann 10 Minuten täglich gehört werden soll.

 

Es werden individuelle Kassetten / CDs entwickelt. Hier werden alle Töne der Frequenzen, in denen die Betroffenen Hörschwierigkeiten haben, ausgefiltert. Indem das Kind diese reinen Frequenzen ohne störende Außengeräusche hört, kann es nun jene Töne hören, die es früher nicht aus dem Klangteppich heraushören und unterscheiden konnte. Außerdem sind diese Kassetten / CDs so konzipiert, dass sie das rechts dominante Hören fördern.

In Intervallen von sechs bis acht Wochen wird das Hören überprüft und die Kassetten / CDs angepasst. In dem Maße, wie sich die Hörfähigkeit des Kindes verbessert, verändert sich das Lesen und Schreiben, der Gebrauch der Sprache und das Verhalten.

Was Eltern und Lehrer nachdenklich stimmen sollte!

Es gibt Warnzeichen, die Eltern oder Lehrer aufmerksam machen können, beispielsweise eine Vorgeschichte von Ohrproblemen, häufige Schulversäumnisse, Mundatmung, eine ständig verstopfte Nase, Neigung zu Tagträumerei, auffallend leises oder lautes Sprechen oder die Angewohnheit, sich in die Nähe einer Klangquelle (Radio, Fernseher, Lautsprecher) zu setzen. Ein solches Kind irritiert andere durch seine häufigen Missverständnisse oder langsamen Reaktionen. Typisch sind solche Verhaltensprobleme wie Unruhe, Ablenkbarkeit, Rückzugsverhalten, Konzentrationsprobleme, Aggressivität und schnelle Frustration.

 

Aufgaben, die ein gutes Konzentrationsvermögen erfordern, werden schnell aufgegeben, besonders, wenn die Anforderung über das Ohr kommt, das Kind schaltet ab, wenn seine empfindliche Hörschwelle überreizt ist, und ermüdet mit Sicherheit schneller auf Grund seiner Bemühungen, seine Beeinträchtigung zu kompensieren. Seine Frustration kann leicht zu Verhaltensproblemen führen. Sehr wahrscheinlich wird es Koordinationsprobleme haben, wenn seine Ohren blockiert sind, weil die Weiterleitung von Schwingungen zum Gleichgewichtsapparat weniger effektiv und damit die Balance und das Gleichgewicht beeinträchtigt sind. Das Gleichgewichtsorgan liegt nämlich ebenfalls im Ohr und wird sogar von dem gleichen Nerv versorgt wie unser Hörorgan!

 

Da eine Hörbeeinträchtigung oft mit anderen Entwicklungsauffälligkeiten oder -verzögerungen einhergeht, sollte gleichzeitig eine neurophysiologische Entwicklungsförderung stattfinden.